© ISG FFFM: Lange Warteschlangen vor den Ausgabestellen
XWährungsreform in Frankfurt am 20. Juni 1948
Vor und bei der Einführung der Deutschen Mark am 20. Juni 1948 in den drei westlichen Besatzungszonen spielte der Frankfurter Raum eine wichtige Rolle.
Nach der Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkrieges beherrschten weiter Hunger und Mangel das tägliche Leben. Die während des Krieges eingeführten Rationierungen und Preisfestsetzungen galten weiterhin. Um den Alltag zu organisieren und das Überleben zu sichern, gingen weite Teile der Bevölkerung und Unternehmen zum Tauschhandel über, der offiziell verboten war.
Die Besatzungsbehörden organisierten in der englischen und amerikanischen Zone ab dem 1.1.1947 eine gemeinsame Wirtschaftsverwaltung, dessen Rat erstmals im am 25. Juni 1947 im Frankfurter Börsengebäude zusammentrat. Die vorher über die Zonen verteilten Behörden des Rates konzentrierten sich nun auf Frankfurt und seine Umgebung.
In Bad Homburg tagte die Sonderstelle Geld und Kredit, deren Leiter der spätere Wirtschaftsminister und Kanzler Ludwig Erhard war. Die Sonderstelle war ein Expertengremium, welches unabhängig von den alliierten Vorstellungen die deutschen Überlegungen für eine Währungsreform formulieren sollte. Von dort wurde Erhard dann im März 1948 als Direktor an die Spitze der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt berufen. Sein Dienstsitz war die Höchster McNair-Kaserne.
Die Einführung des neuen Geldes, allenthalben Tag X genannt, wurde unter größter Geheimhaltung vorbereitet. Unter dem Decknamen Operation Bird-Dog waren die neuen Banknoten schon seit Ende 1947 in zwei amerikanischen Druckereien produziert und per Schiff und Eisenbahn nach Frankfurt verfrachtet worden. Die in der Taunusanlage ansässige Bank Deutscher Länder, Vorläufer der Bundesbank, übernahm zwischen dem 11. und 15. Juni 1948 die Verteilung an die elf Zentralbanken der Westzonen.
Die Bevölkerung wusste, dass eine Währungsreform kommen würde. Sie war im Frühjahr 1948 immer ein Gegenstand der Beratungen zwischen den alliierten und deutschen Dienststellen, über die Rundfunk und Presse auch regelmäßig berichteten. Dass sie kommen würde war klar, nur die Details blieben unbekannt und boten Raum für Spekulationen. So musste z. B. von Amtsstellen dementiert werden, dass das neue Geld schon gegen horrende Aufschläge auf dem Schwarzmarkt zu erhalten sei.
Zu der Unsicherheit gesellte sich das Bangen um die ungewisse Zukunft. Die Frankfurter Rundschau verglich in der Woche vor Pfingsten unter der Überschrift „Eine Stadt im Währungsfieber“ die Stimmungslage mit der Angst vor einer notwendigen Operation mit ungewissem Ausgang, von der man aber Besserung erhoffte.
Die Frankfurter Neue Presse wusste zur gleichen Zeit schon mehr. „Wird der ‚Tag X’ ein Sonntag sein?“ fragte sie am 14.6. ihre Leser und konnte bereits den Ablauf der Aktion schildern. „Jeder Haushaltungsvorstand wird für seinen gesamten Haushalt neues Geld empfangen können ... Alle städtischen Beamten (Finanzbeamte, Lehrer usw) sollen bei der Ausgabe des neuen Geldes behilflich sein und im Lauf der nächsten Tage einen ‚Mob-Befehl’ erhalten. Sie müssen, wenn der Rundfunk den ‚Tag X’ bekanntgibt, an der ihnen zugewiesenen Ausgabestelle zum ‚Einsatz bereitstehen’“. Die Frankfurter Schüler wird’s gefreut haben, erhielten sie doch drei Tage schulfrei.
„Ab Sonntag Ausgabe des Neuen Geldes“ titelte die Neue Presse in einer Sonderausgabe am Abend des 18. Juni, Radio Frankfurt informierte per Rundfunk die Bevölkerung. Die suchte das alte Geld auszugeben. Wer noch Reichsmark hatte, wollte sie loswerden. In den Gaststätten war ein Betrieb wie nie, am Hauptbahnhof waren die Bahnsteige voll, die Straßenbahnen fuhren mit Passagieren auf den Trittbrettern, bisher säumige Schuldner zeigten sich plötzlich zahlungswillig.
Um sein Theater auch zu Zeiten des neuen Geldes zu füllen, kam der Kommödiendirektor Fritz Remond auf die Idee, Eintrittskarten für spätere Vorstellungen noch vor der Umstellung mit dem ausdrücklichen Hinweis zu verkaufen, dass sie auch nach der Reform nicht ihre Gültigkeit verlören.
An besagtem Sonntag, dem 20.6., war vor allem Geduld war gefragt. In langen Schlangen stand die Bevölkerung vor den Ausgabestellen an, um ihren „Kopfbetrag“ von 40 Reichsmark gegen die neue Deutsche Mark einzutauschen. Weitere 20 DM sollten binnen zwei Monaten folgen, so sah es § 6 des Währungs-Gesetzes Nr. 61 vor. Ab dem 21.6. galt die Deutsche Mark als alleiniges Zahlungsmittel, nur Münzen und Noten bis zum Nennwert von einer Mark blieben bei einem Zehntel ihres Wertes weiter im Umlauf bis zum Ersatz durch neues Kleingeld. Zusammen mit der DM wurden Formulare ausgegeben, auf denen das restliche Bargeld sowie Bank- und Sparguthaben zu deklarieren waren. Dafür war eine Woche Zeit, erst danach sollte Art und Umfang des Währungsschnittes bekannt gegeben werden. Am Ende der Woche legte dann das dritte Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens das Umtauschverhältnis von Reichsmark zu D-Mark auf 10:1 fest.
Bei der Bevölkerung dominierte zunächst eine deutlich abwartende Haltung beim Geldausgeben. Obwohl Schaufenster und Auslagen sich schlagartig mit lang entbehrten Waren füllten, war Schauen, Vergleichen, Zurückhaltung das Merkmal der Stunde. Die geringe Geldmenge gestattete Interessenten auch nur den Kauf von wirklich wichtigen Alltagsdingen, neben Lebensmitteln war vor allem Geschirr gefragt. Eine Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach bestätigte diesen Eindruck mit der Nachricht, dass in der Woche nach der Reform nur durchschnittlich zehn D-Mark pro Kopf der Bevölkerung ausgegeben wurden.
Völlig verrechnet hatten sich die Schwarzhändler, die gestützt auf vertrauliche alliierte Informationen über Fortdauer und Umfang der Zwangsbewirtschaftung der Reform gelassen entgegen gesehen hatten. Diese vermeintlichen Informationen wurden durch die Realität sehr rasch widerlegt.
Für Frankfurt war der Tag der Einführung der D-Mark noch in anderer Hinsicht ein ganz besonderer Tag. Am Montag, 21.6., fiel auch der Zaun des amerikanischen Sperrgebietes der nach Kriegsende das IG-Farben-Gebäude und angrenzende Gebiete von der übrigen Stadt abgetrennt hatte. Die Menschen konnten wieder in ihre innerhalb der Zone gelegenen Wohnungen zurückkehren, die beschlagnahmt gewesen waren.
Text: Klaus Reinfurth