© ISG FFM S8-2/264-6: Stadtentwicklung Frankfurts 1914-1933, gezeichnet von Werner Hebebrand
XDie Frankfurter Stadtentwicklung
Teil 4: 1914-1945
Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg stagnierte die städtische Entwicklung auf vielen Gebieten. Die schon bestehende Wohnungsnot für gering verdienende Schichten verschärfte sich durch schleppende Bautätigkeit und weiteren Anstieg der Bevölkerungszahlen (um 50.000 bis 1925 auf 467.000 Einwohner). Ein umfassendes Wohnungsbauprogramm war also notwendig.
Es wurde aufgelegt durch den 1925-1930 amtierenden Dezernenten Ernst May, der dafür mit umfassender Zuständigkeit ausgestattet wurde und die von ihm berufenen Mitarbeiter und orientierte sich an den Grundsätzen des neuen Bauens. Neben einer Orientierung an Architekturformen der neuen Sachlichkeit waren darin einbezogen Überlegungen, jede Wohnung bestmöglich mit Licht, Luft und Freiraum zu versorgen, was zur neuartigen Zeilenbauweise mit großzügig dimensionierten Grünflächen und selbst genutzten Hausgärten führte. Änderungen der Reichsgesetzgebung ermöglichten, dass nun auch staatliche Stellen und nicht mehr nur Gesellschaften oder Einzelpersonen im allgemeinen Wohnungsbau tätig werden konnten.
Der neue Generalbebauungsplan betrachtete die Entwicklung der Innenstadt als in ihren natürlichen Grenzen abgeschlossen. Erweiterungsgebiete waren konzipiert als eigenständige Einheiten in freier Landschaft, lagerten sich aber auch an bestehende Strukturen an. Für später zielten die Konzepte auf die Errichtung von Trabantenstädten mit eigener Infrastruktur. Die Verbindung der Siedlungen untereinander und zur Innenstadt sollte ein eigenes System von Grünverbindungen gewährleisten. Erstmals wurde der gesamte Stadtraum, der durch die Eingemeindungen 1910 beträchtlich ausgeweitet worden war, planerisch erfasst, ja sogar Gebiete im Norden und Osten, die erst im späten 20. Jahrhundert zu Frankfurt kamen, mit einbezogen. Die stadträumlichen Überlegungen führten schließlich auch 1928 zur Eingemeindung des heutigen Frankfurter Westens und Ostens (Griesheim, Nied, Sossenheim, Höchst, Zeilsheim, Sindlingen, Schwanheim, Fechenheim).
In mehr als zwanzig Siedlungen und Wohnhauskomplexen entstanden schließlich rund fünfzehntausend Wohnungen. Die für den Wohnungsbau nötigen Mittel stellte eine 1924 neu eingeführte Hauszinssteuer, eine Reichssteuer, zur Verfügung. Das in der kurzen Zeit von nur fünf Jahren durchgeführte Programm ließ sich nur bei maximaler Rationalisierung auf der Grundlage größter Sparsamkeit bewältigen. Es entstanden Flachdachbauten mit typisierten Grundrissen, unter Verwendung normierter Bauteile, teilweise errichtet in Tafelbauweise. Eine auf der Grundlage arbeitsökonomischer Abläufe konzipierte Einbauküche, die Frankfurter Küche, kam zum Einsatz. Eine besondere Abteilung für Typisierung innerhalb der Bauverwaltung entwarf die „Frankfurter Normen“.
Als Folge der Weltwirtschaftskrise und der Verringerung staatlicher Zuschüsse stagnierte der Wohnungsbau nach 1931. Um der Wohnungsnot dennoch begegnen zu können legte die Reichsregierung ein Programm zum Bau von Einfachst- und Erwerbslosensiedlungen auf. Beschränkt auf einfachste Baumaterialien und angewiesen auf die Selbsthilfe sogenannter Siedler, entstanden so bis 1938 2.700 Wohnungen wovon allerdings knapp tausend auf die Goldsteinsiedlung entfielen, die in der Spätzeit der Ära May geplant worden war.
Das erste Teilstück einer als Autobahn ausgelegten Nord-Süd-Verbindung zwischen Hamburg und Basel war ab 1935 zwischen Frankfurt und Darmstadt als erste derartige Straße in Deutschland befahrbar. Das neue nationalsozialistische Regime konnte auf baureife Planungen, die bis in die zwanziger Jahre zurückreichten, zurückgreifen und das Ereignis, wie auch schon den Baubeginn 1933, propagandistisch ausschlachten. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges betrug die Bevölkerungszahl 553.000.
Während des Zweiten Weltkrieges stoppte die Bautätigkeit bis auf den Luftschutzbau völlig. Durch ab 1943 massierte Luftangriffe kam es zu starken Zerstörungen, die zu großer Wohnungsnot führten.
Text: Klaus Rheinfurth