© ISG FFM Gesetze 4
XFrankfurter „Schweinereien“: Schweinehaltung in der Altstadt
Luftverschmutzung und Lärmbelästigung kannten die Frankfurter schon im Mittelalter: Zwar keinen Smog oder Lärm des Straßenverkehrs, aber das Hämmern und Sägen der Handwerker sowie die Fuhrwerke sorgte für einen gewissen Lärmpegel, und es herrschte ein für unsere Nasen unbeschreiblicher Gestank.
Die Bewohner lebten auf engstem Raum zusammenund es gab noch keine Kanalisation. In Frankfurt waren lediglich wenige so genannte Antauchen vorhanden, offene sumpfige Abwasserkanäle, die einen nicht gerade lieblichen Duft verbreiteten.
Frankfurt hatte zwar als Reichsstadt, internationales Messezentrum und Wahlort der deutschen Könige eine große wirtschaftliche und politische Bedeutung, doch war die Stadt auch im Mittelalter keine Großstadt. Die ca. 10.000 Einwohner im Jahr 1500 drängten sich zum größten Teil in der kleinen Altstadt, d. h. in dem Gebiet, das von der alten staufischen Stadtmauer umgeben war (Neue Mainzer Gasse, Weißfrauenstraße, Großer und Kleiner Hirschgraben, Holzgraben, Wollgraben).
Als Kaiser Ludwig der Bayer 1333 eine Stadterweiterung erlaubte, verdreifachte sich das Stadtgebiet zwar (Neue Mainzer Gasse, Hochstraße, Bleichstraße, Seilerstraße, Lange Straße), doch wurde die dünn besiedelte Neustadt hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt (Gärten, Viehhaltung). Erst Ende des 18. Jahrhunderts war diese Fläche für die jetzt stark gewachsene Bevölkerung zu klein, d. h. Frankfurt war bis weit in die frühe Neuzeit hinein noch sehr stark ländlich geprägt.
Der ländliche Charakter Frankfurts wird durch zahlreiche Verordnungen des Rates zur Schweinehaltung deutlich, von denen hier zwei aus den Jahren 1421 und 1481 exemplarisch vorgestellt werden. Im Spätmittelalter war der Fleischverzehr sehr hoch, da die Bevölkerung durch die Pestwellen Mitte des 14. Jahrhunderts dezimiert war, gleichzeitig aber die Viehzucht ausgeweitet wurde, so dass Fleisch in großer Menge zur Verfügung stand. Dies änderte sich seit dem 16. Jahrhundert, als die Bevölkerung wieder wuchs und Fleisch damit knapper wurde. Der hohe Fleischverbrauch des Spätmittelalters wurde dann erst wieder im 19. Jahrhundert erreicht.
Auch im spätmittelalterlichen Frankfurt war die Schweinehaltung weit verbreitet, was zu Unannehmlichkeiten führte, die der Rat durch Verordnungen abzustellen versuchte: Da die frei laufenden Schweine dem Steinweg, also der ersten gepflasterten Straße Frankfurts, und den Einwohnern allgemein Schaden zufügten, gebot er am 30. September 1421, dass vom kommenden 11. November (Martini) an Schweine nur noch im Haus oder im Hof gehalten werden durften. Die Straßen sollten sie nur noch betreten, um möglichst schnell zum Main, zur Tränke oder vom Hirten auf das Feld und zurück getrieben zu werden. Alle darüber hinaus auf den Gassen angetroffenen Schweine wurden jetzt nachts von den Scharwächtern und tagsüber von noch zu bestimmenden Personen eingefangen und die Besitzer mit einer Geldbuße von einem Schilling belegt.
Die Frankfurter hielten sich jedoch nicht an die Verordnungen, so dass der Rat am 19. August 1481 die Schweinehaltung in der Altstadt ganz verbot. Gegenüber der Bevölkerung wurde diese Maßnahme mit der Tatsache begründet, dass Frankfurt aufgrund seiner Messen eine besondere Stellung inne habe und deshalb in „erbarkeit und reinigkeit“ gehalten werden müsse. Der auf den Gassen liegende Schweinemist verbreitete nicht nur einen üblen Geruch, sondern wurde auch als Ursache von Krankheiten und Spott angesehen („mancher ungesont und verachtunge eyn merglich orsache“).
Deshalb mussten nun die Bewohner der Altstadt ihre Schweine bis Martini (11. November) verkaufen oder schlachten. Schweinehaltung war künftig nur noch in der Neustadt und in Sachsenhausen - und auch dort nur in Ställen - erlaubt. Für jedes künftig in der Altstadt aufgefundene Schwein musste der Besitzer einen Ort (= Viertelgulden) Strafe zahlen. Wenn ein Altstadtbewohner in der Schlachtzeit zwei oder drei Schweine in seinem Haus schlachten lassen wollte, dann durfte er sie bis zur Schlachtung noch zwei bis drei Wochen in seinem Haus oder Stall aufpäppeln. Auch die Bäcker in der Altstadt, die ihre Schweine mit der beim Getreidemahlen anfallenden Kleie füttern konnten und deren Schweinezahl nach Vermögen geregelt war, durften ihre Schweine jetzt nur noch in der Neustadt aufziehen.
Weiterhin sollten alle auf den Gassen errichteten Schweineställe abgerissen und künftig keine neuen mehr gebaut werden. Alle Bewohner hatten ihre Schweine nur auf den vom Rat festgelegten Routen an das Wasser zu treiben, und die Besitzer von eingefangenen Schweinen mussten nicht nur die Buße, sondern auch das Futter bezahlen. Selbst wenn sie ihre Schweine nicht abholten, wurde das Bußgeld fällig, während die Tiere dem Heiliggeistspital übergeben wurden.
Künftig durfte in der Altstadt außerhalb der Messezeiten kein Mist oder Stroh mehr auf den Gassen gelagert werden. Beides musste sogleich in die Höfe der Neustadt und Sachsenhausens oder in eine Mistkaute vor die Stadt gebracht werden. Während der Messen war es dagegen erlaubt, den Mist drei Tage lang vor den Häusern liegen zu lassen, jedoch nur in sauber aufgeschichteten Haufen, die nicht die Fuhrleute und Fußgänger behinderten. Diese Ausnahme mutet uns eher seltsam an, weil sich die Städte heute zutage zu besonderen Ereignissen für ihre Gäste herausputzen, doch hatte dies seinen einfachen Grund in der Tatsache, dass während der Messen kaum Fuhrwerke zum Abtransport des Mistes zu bekommen waren. Die Geldbuße für Übertretungen betrug hier sieben Schillinge.
Die gleichen Bestimmungen galten auch für Erde, die in der Altstadt ebenfalls nicht vor die Häuser geschüttet werden durfte. Weiterhin waren alle Altstadtbewohner angehalten, die Gasse vor ihren Anwesen zu kehren und den Kehricht in Haufen liegen zu lassen, die dann von den städtischen Müllmännern („Stoppeler“) abgefahren wurden, d. h. schon im Mittelalter existierte eine städtische Müllabfuhr.
Das Verbot der Schweinehaltung in der Altstadt wurde oftmals nicht beachtet und musste der Bevölkerung immer wieder eingeschärft werden, so. z. B. am 12. Mai 1521.
Text: Michael Matthäus