© ISG FFM S7Z1960 Nr. 163, Foto: K. Meier-Ude
XDie närrischen Tage
„Helau“ hieß es nach wie vor in der närrischen fünften Jahreszeit. In den Bürgerhäusern gab es verschiedenste Sitzungen mit bekannten Liedern zum Mitsingen und Schunkeln, deren Texte in den Programmheften, neben viel Werbung der ortsansässigen Händler und Handwerker, abgedruckt waren.
In manchen Stadtteilen regierten Tollitäten, Prinzessinnen und Kinder-Prinzen-Paare. Die Vereine hießen Spritzer, Bernemer Käwwern, Fidele Bokkemmer oder Nassauer, Labbeduddel, Narhalla, Sorgenbrecher oder Die Elfer, um nur einige zu nennen. Auch die Veranstaltungen hatten lustige Namen wie „Wau Wau“, die Prunksitzung zweier katholischer Gemeinden des Nordends, die 1953 im Philanthropin mit „Wau Wau“-Rufen ihren Titel bekam.
Seit 1958 fand sie aufgrund des Zuspruchs im großen Saal des Gesellschaftshauses im Zoo statt, wo ab 1963 auch der Bürgermaskenball zum beliebtesten Maskenfest der Stadt wurde. Dorthin lud der Große Rat am 31.1.1969 zur Inthronisation des Frankfurter Prinzenpaares ein und feierte „das größte Fest der Frankfurter Fastnacht“. Sicher wurde dabei auch getanzt, vielleicht nach den damals aktuellen Schritten, wie sich im Video auf Youtube nachvollziehen lässt?
Der „Fahrplan durch die Frankfurter Fastnacht 1964“ listete 109 Veranstaltungen ab dem 1. Januar, dem Neujahrsaufmarsch der Garden auf dem Römerberg, der Erstürmung des Rathauses (siehe Foto), bis zum Fastnachtskehraus im Volksbildungsheim auf, davon 46, also knapp die Hälfte, an den „vier tollen Tagen“. Bis 1969 vermehrten sich die Termine auf insgesamt 143, davon 68 ab dem Fastnachtssamstag.
Zu den Höhepunkten der Hessischen Fastnacht gehörten die Musikmixer 1967, siehe das Video auf Youtube. Ob sie auch in Frankfurt mal aufgetreten sind? Für die große Karnevalistische Festaufführung „Die Fledermaus“ am 14.2.1969 konnte sogar ein prominenter Sänger gewonnen werden: Freddy Quinn.
Einen Eindruck vom Frankfurter Fastnachtszug am Sonntag, 1.3.1960 findet sich im Video auf Youtube. Ausgerichtet wurde er vom Großen Rat und den etwa 50 Mitgliedsvereinen. Das Motto reichte von Spass un Freud für alle Leut 1962, Ulk und Spass uff de Gass 1965 (mit dem U der neuen U-Bahn!) über Frankfurt jubelt Frankfurt lacht, 111 Jahr Fassenacht 1967, Allez hopp, Frankfurt steht Kopp 1968 bis Hibb de Bach un dribb de Bach, iwwerall is Fassenacht 1969.
Am Fastnachtsdienstag läuft traditionell die Zuggemeinschaft Klaa Paris in Heddernheim/Kalbach, deren Zug als der älteste in Hessen gilt und vom ältesten Frankfurter Verein, den Heddemer Käwwern, mitorganisiert wird.
In der Stadt mit dem größten Verkehrsaufkommen der Bundesrepublik wurde das Straßentreiben der Kinder von Jahr zu Jahr gefährlicher und statt der Kinderumzüge führten die Karnevalsvereine Kindermaskenfeste ein. Da fragten sich natürlich die Kinder immer wieder, als was sie sich z.B. bei den Kinderfastnachtsveranstaltungen in der Höchster Jahrhunderthalle oder vor Ort in ihrer Schule und den Kindermaskenbällen der Vereine verkleiden sollten.
Die Schülerzeitung „Der Pelikan“ der Albert Schweitzer Schule hat für die Grundschüler*innen einige Ideen über den Cowboy hinaus, speziell für Jungen und für Mädchen. Manches Kostüm ist noch aktuell, andere wiederum heutzutage umstritten oder gar ganz vergessen. Wer weiß denn noch, wie „Courréges“ ausgesehen haben?
In Fällen von Katastrophen, Krieg oder Not haben sich die Frankfurter schwer getan ihre Veranstaltungen aus Pietätsgründen abzusagen. Kurz vor der Eröffnung der Kampagne 1962 fragten sie sich plötzlich, ob man angesichts der politischen Situation in Berlin der Fastnachtsfröhlichkeit noch freien Lauf lassen könne. Man entschied sich dann, Fastnacht zu feiern unter dem Motto „Was übrig bleibt, den Berliner Kindern“ und sammelte während der Kampagne 20.000 Tausend Mark an Spenden für das Hilfswerk Berlin.
Gegen Ende der sechziger Jahre erlosch einer der ältesten Frankfurter Fastnachtsbräuche, das Maskentreiben am Fastnachtsdienstag auf der Zeil und an der Hauptwache. Zum Zerfall dieses Brauches trug 1968 eine Rockerbande bei. Sie machte am Fastnachtdienstag die Straßen zwischen Konstablerwache und Opernplatz zum Schauplatz ihrer Gewalttaten. 1969 gab es dort wieder Krawalle mit Festnahmen und Ausschreitungen der Rocker bei einer Jugendfastnachtsveranstaltung der Dompfarrei am Abend. Seitdem meiden Frankfurter kurz vor Aschermittwoch die Innenstadt.
+++ Tipps für eigene Forschungen +++
- Karl Linker, Stadt unter der Schellenkappe. Geschichte der Frankfurter Fastnacht. Frankfurt um 1976
- Diverse Fastnachtszeitungen in der Bibliothek
- Bestände von Fastnachtsvereinen unter https://www.stadtgeschichte-ffm.de/de/archivbesuch/bestaendeuebersicht/sammlungen, im Teilbestand Vereinigungen und Vereine
- Akten der Stadtverwaltung, Zeitungsausschnittdokumentation und Einzelstücke in Nachlässen
- Plakate und Fotografien
Text: Manuela Murmann
Referenced project
Exhibition: Times of Upheaval: Frankfurt During the 1960s