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XKino und Fernsehen: Die Deutschen werden zu Couchpotatoes
In den 1960er Jahren wurde das Fernsehen zum Massenmedium und beeinflusste die Gesellschaft damit nachhaltig: Gingen die Deutschen in den vorangegangenen Jahrzehnten zur Unterhaltung noch ins Kino, sanken die Zuschauerzahlen in den 1960ern rapide.
Steigende Gehälter und sinkende Anschaffungskosten ließ die Zahl der Fernsehgeräte in der BRD ansteigen: 1957 waren es noch eine Million TVs in den westdeutschen Wohnzimmern, 1970 15 Millionen Geräte. Damit hatten drei Viertel der Haushalte ein eigenes Gerät. Die Deutschen mussten nicht mehr vor die Tür gehen, sondern konnten es sich mit „Filzlatschen“ und „Flaschenbier“ auf dem Sofa gemütlich machen [Zitat: Schild, Axel, Rebellion und Reform. Die Bundesrepublik der sechziger Jahre, Bonn 2005, S. 70].
Das Leben verlagerte sich zunehmend in die eigenen vier Wände. Das Fernsehprogramm wurde in den 1960er Jahren attraktiver und vielfältiger, wenn es auch längst nicht mit heutiger Programmvielfalt zu vergleichen ist. Nach der ARD 1952 startete das ZDF sein Programm am 1. April 1963. Gesendet wurde zunächst von Eschborn aus, später aus Mainz. Die ARD richtete zwischen 1964 und 1969 fünf regionale dritte Fernsehprogramme ein. Als erste Dritte Programme starteten 1964 der Bayerische und der Hessische Rundfunk. Am 25. August 1967 gab der damalige Außenminister und Vizekanzler Willy Brandt bei der Funkausstellung in Berlin den Startschuss für das Farbfernsehen in Deutschland. Der rote Knopf, den er drückte, war nur eine Attrappe: Schon einige Sekunden, bevor er den Knopf berührte, wurde das Bild farbig: Youtube Video.
Ein Farbfernseher blieb Ende der 1960er Jahre mit 1500 DM noch eine kostspielige Anschaffung. Zum Vergleich: Für 5000 DM bekam man einen VW Käfer. Der durchschnittliche Monatslohn lag 1970 bei 890 DM.
Die Tagesschau wurde zur stark nachgefragten Quelle für Informationen und ist die älteste noch heute bestehende Sendung im deutschen Fernsehen. Sie sendete schon seit 1952, zunächst allerdings noch nicht täglich. In Farbe sendete die Tagesschau erst ab 1970. Als politische Informationsmagazine etablierten sich Panorama, Report und Monitor oder das ZDF-Magazin. [Zu den Politimagazinen in BRD und DDR im Vergleich siehe die Bundeszentrale für politische Bildung]
Hohe Zuschauerzahlen hatten aber vor allem die langjährigen Quizsendungen und Shows wie „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff (1964–1987) oder „Spiel ohne Grenzen“ (1965–1999) mit Teilnehmer*innen aus ganz Europa. Auch das Beruferaten „Was bin ich?“ (1955-1989) mit Robert Lembke war beliebt, ebenso wie die Hitparade im ZDF (1969–2000). Der Tatort wurde zum ersten Mal 1970 ausgestrahlt, Vorläufer war die Krimireihe „Stahlnetz“ des NDR mit 22 Folgen bis 1968, die zum Teil auf wahren Begebenheiten beruhten.
Das Kino geriet hingegen in den 1960er Jahren in eine existentielle Krise: 1960 besuchten noch 11 Millionen die Frankfurter Kinos, 1969 waren es nur noch 3,6 Millionen. Kassenschlager in den 1960ern waren monumentale Filme wie Doktor Schiwago (1965) und die neuen James-Bond-Filme mit Sean Connery. Den Auftakt bildete 1962 „James Bond jagt Dr. No“, es folgten „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) [Trailer auf Youtube] , „Goldfinger“ (1964), „Feuerball“ (1965) und „Man lebt nur zweimal“ (1967).
Sehr erfolgreich waren in Deutschland auch „Das Dschungelbuch“ (1968), und Winnetou (1963). „Das Schweigen (1964)“ vom schwedischen Regisseur Ingmar Bergmann zog in Deutschland 11 Millionen Menschen in die Kinos, obwohl (oder weil) er von der FSK erst ab 18 Jahren freigegeben wurde und weltweit wegen der expliziten Darstellung von Sexualität kontrovers diskutiert wurde.
Alfred Hitchcock lockte mit seinen Meisterwerken wie „Psycho“ (1960) oder „Die Vögel“ (1963) ebenfalls Publikum in die Kinos. Er hatte eine enge Beziehung zu Frankfurt und hat die Stadt mindestens neunmal besucht. 1960 reiste er zur Premiere von Psycho im Turmpalast offiziell an, 1968 war er inkognito in Frankfurts U-Bahn unterwegs, während die Dreharbeiten zu seinem Thriller „Topaz“ in Wiesbaden liefen.
Weitere Informationen im Begleitband zur Ausstellung.
Referenced project
Exhibition: Times of Upheaval: Frankfurt During the 1960s