Vermächtnis Trinkhalle – Wie die Frankfurter Familie Jöst das Stadtbild prägte
© ISG FFM, Best. S7C2007 Nr. 388
In den Sammlungen des Instituts für Stadtgeschichte befindet sich auch der Bestand "Jöst". Was war das für ein Unternehmen?
Fast jeder Frankfurter hat schon von ihnen gehört oder war selbst Kunde in einem Wasserhäuschen. Auswärtige kennen sie eher als Trinkhallen oder Kioske. Sie prägen noch heute das Stadtbild. Der Ursprung dieser kleinen Häuschen ist im 19. Jahrhundert zu finden. Zu dieser Zeit konnte Leitungswasser ohne vorheriges Abkochen nicht getrunken werden, da es sonst ein gesundheitliches Risiko darstellte. Aus diesem Grund bevorzugte insbesondere die Arbeiterschicht, die sich teures Mineralwasser nicht leisten konnte, alkoholische Getränke. Zur Bekämpfung dieses verbreiteten Alkoholkonsums unterstützte die Stadt Frankfurt die Einrichtung von Wasserhäuschen, in denen bezahlbare alkoholfreie Getränke angeboten werden sollten.
Im Zuge dieser Entwicklung gründete Adam Jöst am 13. März 1908 mit Beteiligung der Firma Jakob Latscha die „Jöst-Reform-Gesellschaft“, die alkoholfreie Getränke produzierte, diese in eigenen Trinkhallen verkaufte sowie an andere Unternehmen lieferte. Bis zum Beginn des ersten Weltkrieges konnte die Jöst-Reform-Gesellschaft zwanzig Trinkhallen ihr Eigen nennen. Dennoch war das Geschäft saisonabhängig – im Sommer wurde wegen der Hitze viel getrunken, im Winter nicht. So drohte dem Unternehmen 1914 die Liquidation, doch Adam Jöst entschied sich, es für einen entsprechend günstigen Preis komplett zu übernehmen. Um eine gleichmäßige Auslastung des neuen Jöst-Betriebes während allen vier Jahreszeiten zu gewährleisten, gliederte er dem Unternehmen einen Kohlenhandel an. Es gelang ihm damit, einen Aufschwung herbeizuführen. Bereits 1925 erweiterte er den Betrieb abermals und eröffnete die ersten Spezialgeschäfte für den Verkauf von Wein, Spirituosen und Tabakwaren. Nur wenige Jahre später gehörten ebenso erste Weinstuben, eine Süßmosterei und eine Brennerei zu Jöst. Während des Nationalsozialismus, insbesondere ab 1939, galten die Trinkhallen, das ursprüngliche Kerngeschäft von Jöst, als Verunstaltung des Stadtbildes und wurden systematisch abgerissen. Doch Adam Jöst durfte noch 1938 eine neue Trinkhalle auf der Konstablerwache eröffnen und sein Geschäft weiter betreiben.
Nach dem zweiten Weltkrieg waren viele der Jöst Niederlassungen zerstört. Nichtsdestotrotz knüpfte das Unternehmen an seinen Erfolg der vergangenen Jahre an. Insbesondere die Vorgaben der Stadt im Zuge des Wiederaufbaus, dass neu errichtete Trinkhallen mit allgemein nützlichen Funktionen wie Toiletten oder Wartehallen für den öffentlichen Nahverkehr ausgestattet sein sollten, spielten dem Unternehmen in die Karten. Jöst konnte als großes Unternehmen, im Gegensatz zu kleineren Betrieben, die Auflagen leichter erfüllen. Zudem wurden an den Trinkhallen außer Getränken nun auch Brennstoff, Milch, Apfelsinen und die „Jöst-Cola“ verkauft. Das Geschäft florierte, sodass die Firma im Laufe der Jahre dreizehn Gaststätten und Hotels in Frankfurt, Offenbach am Main, Mainz sowie Wiesbaden besaß.
Im Winter 1971 verkaufte Kurt A. Jöst, der Sohn und Nachfolger Adam Jösts, einen Großteil des Betriebes, darunter sieben Weinhäuser und Hotels sowie über achtzig Wasserhäuschen, an die Henninger Bräu KG. Nur kurze Zeit später folgte zuletzt auch der Verkauf des langjährigen Firmensitzes Gutleuthof und damit das Ende von Jöst.
Brigitte Roth-Jöst, die als Tochter Kurt Jösts für die Werbeabteilung zuständig gewesen war, betrieb noch einige Zeit nach Ende des Unternehmens eine Weinhandlung in Frankfurt. Sie übergab dem Institut für Stadtgeschichte die ihr verbliebenen Unterlagen der Firma ihres Vaters, welche sowohl wirtschaftshistorisch interessante Stücke, wie einen Trinkhallen-bewirtschaftervertrag enthalten, als auch das breite Angebot der Firma Jöst durch Werbeprospekte, Plakate der angebotenen Produkte oder Bierwerbung abbilden. Zwar existiert das Unternehmen Jöst nicht mehr, doch die von Adam Jöst gegründeten Wasserhäuschen sind bis heute eine Institution in Frankfurt, auch wenn sich der Zweck, weg von der Versorgung der Arbeiter mit Wasser, hin zu einer Örtlichkeit des Begegnens und Feierns, gewandelt hat.
Text und Bildauswahl: Chiara Daab (Praktikantin), Jan-Hendrik Evers (Archivreferendar), Nadine Hofmann (Archivreferendarin), Magdalena Schedlberger (Praktikantin)