Frühe Marktforschung und historische Unterlagen: Der Bestand "Amerika Haus"
© Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (Bestand S7c1998-22146)
Im Sachgebiet Frankfurter Vereinsarchive liegt unter anderem der Bestand „Amerika Haus Frankfurt“ (V 113). Er wurde 2006 als Schenkung an uns abgegeben und enthält Unterlagen des im Mai 1946 in der Taunusanlage 11 offiziell gegründeten Amerika Hauses.
Der Bestand umfasst umfangreiches Material wie Flyer, Einladungen, Broschüren und eine große Fotosammlung zu den im Amerika Haus durchgeführten Veranstaltungen seit der Gründung 1946 bis in die 1990er Jahre hinein. 2006 erfolgte die Rückgabe des Gebäudes an die Stadt Frankfurt (seitdem ist es Sitz des Instituto Cervantes). Interessant für Forscher sind beispielsweise 248 als „Research Reports on German Public Opinion“ bezeichnete Meinungsumfragen zu verschiedensten Themen aus den Jahren 1949-1956, die das Amerika Haus durchgeführt hat.
Diese Research Reports befassen sich u.a. mit Reaktionen auf einzelne aktuelle Themen, wie die Entnazifizierungsaffäre in Baden-Württemberg oder die Reaktion auf die amerikanischen Wahlen , aber auch mit populäreren Themen, wie dem Rundfunkverhalten in Westberlin , sowie mit politischeren Fragestellungen, wie der Arbeitslosigkeit in Westdeutschland.
Ein weiteres wichtiges Thema greift der Research Report No. 139 der Serie 2 vom 27.05.1952 auf. Er trägt den Titel: „Do the West German People Believe the US is for German Unity? With Comparative Judgments about the British and French”, beschäftigt sich also mit der Fragestellung, ob die Westdeutsche Bevölkerung glaubt, dass die USA für die Deutsche Einheit ist und detaillierter, inwiefern sie glauben, dass alles hierfür getan wird und was die Gründe dafür und dagegen sein könnten. Die gesamte Studie basiert auf 3 verschiedenen Umfragen, durchgeführt durch „The Reactions Analysis Staff“ des „Office of Public Affairs“, die 800 Befragungen zusammengeführt haben, sowie mehrere Nebenstudien mit 1200 Befragungen und 189 Interviews mit Ostdeutschen, die Westberlin besuchten. In Westdeutschland wurden die Interviews, wie sonst auch üblich, durch die DIVO – Gesellschaft für Markt- und Meinungsforschung mbH in Frankfurt am Main durchgeführt.
Als Ergebnis lässt sich feststellen, dass 47 % der Westdeutschen Bevölkerung glaubten, die USA sei für die Wiedervereinigung, auch wenn nur eine Minderheit der Westdeutschen der Überzeugung war, die USA tue alles ihnen mögliche für die Wiedervereinigung. In derselben Befragung stellte sich allerdings heraus, dass die Skepsis gegenüber Briten und Franzosen noch deutlich höher war.
Die Studie führt weiterhin einige durch die Westdeutschen angenommenen Gründe für (z.B. Stärkung Deutschlands, Allianz gegen Russland, wirtschaftliche Vorteile) und gegen (z.B. Handels- und Geschäftskonkurrenz) Amerikas Bemühungen an.
Wie in den meisten Research Reports wurden die Antworten auch in Bezug auf die Bevölkerungsstruktur untersucht. So sind die Meinungsmacher, also die gebildetere, besser verdienende, männliche Bevölkerung, eher von den positiven Intentionen der Vereinigten Staaten überzeugt. Ein weiteres interessantes Ergebnis ist, dass die Westdeutschen im Vergleich sicherer wirken, dass ihre eigene Regierung in Bonn alles tut, um die Wiedervereinigung voran zu treiben (53%).
Wie an diesem Beispiel zu sehen, handelt es sich also um frühe Marktforschung, die den Amerikanern die Möglichkeit gab, die Situation klarer zu fassen und auf diese einzugehen.
Kontakt und Text: Monika Lauria