© ISG FFM, Lose des Glückshafens von 1736, Fälschung oben rechts
XLotterie, Lotto und Losfälscher
Ab dem 17. Jahrhundert nahm die Anzahl der amtlich konzessionierten Lotterie- und Lottounternehmen zu. Schon bald gab es die Formen, die wir von heute kennen, die Klassenlotterie mit abgestuft teuren Losanteilen oder Losen verschiedener Klassen abwärts und das Zahlenlotto, damals als genuesisches Zahlenlotto bekannt. Die Sportwetten folgten später.
Neben staatlichen oder städtischen Lotterien traten oftmals auch private auf. Vielfach flossen die Überschüsse wie auch heute in soziale Einrichtungen.
Es wurde jedoch nicht nur um Geld und Leibrenten gespielt; auch Luxusgüter wie Silbergeräte, besondere Möbel und Porzellan konnten gewonnen werden. In Frankfurt wurde zur Herbstmesse 1597 ein „Glückshafen“ veranstaltet, bei dem Wertgegenstände verlost wurden. Frankfurt verbot 1768 alle ungenehmigten Warenlotterien.
In Frankfurt wurde dem Armen-, Waisen- und Arbeitshaus 1705 eine erste Lotterie genehmigt. 1727 erhielt der Allgemeine Almosenkasten (ab 1735 Kastenamt) die Konzession für eine Lotterie, deren erste Ziehung am 1. November 1728 stattfand.
Von 1750 bis 1787 unterhielt die Stadt eine Kapitallotterie, deren Überschüsse zur Abtragung städtischer Schulden dienten. 1791 wurde die Lotterie als „Frankfurter Privilegierte Stiftungslotterie“ reorganisiert, deren Überschüsse dem Kastenamt und dem Armenhaus zugute kamen. Die Lose zu Preisen von 3, 7 und 10 Gulden wurden unter notarieller Aufsicht in der Regel von Kindern gezogen, die als Arme oder Waisen selbst in den Genuss der Lotterieerträge kamen.
Die finanzielle Belastung der Stadt führte 1805 zu einer Übernahme dieser Lotterie als Stadtlotterie und zur Verwendung der Gewinne zur Tilgung von Kontributionsschulden an Frankreich. Stiftungs- und Stadtlotterie unterstanden einer gemischten Deputation aus Rat und bürgerlichen Kollegien und wurde unmittelbar von einer Lotteriedirektion verwaltet, von 1811 bis 1813 Großherzogliche Lotteriedirektion, deren erster Generaldirektor Isaak Raphael Sinzheim war. Nach der Annexion Frankfurts durch Preußen bestand die Lotterie noch bis 1873.
Die Frankfurter konnten außer den Losen der städtischen Lotterien auch Lose von auswärtigen Anstalten kaufen, die in der Stadt Verkaufsstellen unterhielten. Ab 1745 wurden unregelmäßige Reichslotterien aufgelegt, die erste zugunsten des Armenhauses, das gegen diese und andere Lotterien Einspruch erhob, weil seiner Ansicht nach zu viel Geld aus der Stadt abfloss. Eine Reihe auswärtiger Lotterien bot dem Frankfurter Publikum ebenfalls über einheimische Lottokollekteure ihre Lose an.
Nach 1750 breitete sich das Zahlenlotto aus. Erste Anstalten wurden 1751 in Wien und 1763 in Berlin gegründet, denen eine größere Anzahl im ganzen Reich folgte, so auch in Frankfurts Nachbarstaaten Kurmainz, Kurtrier, Kurpfalz, Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel und Nassau-Usingen, ohne in der Stadt selbst Nachahmer zu finden. Um 1780 war Frankfurt von einer regelrechten Lottosucht befallen, die die Stadt zu einer restriktiven Politik gegen die auswärtigen Lottoanstalten bewog und alle Lottobüros schloss. Auch in benachbarten Ländern wurde das auch mit einer eigenen Art von Kriminalität verbundene Lotto verboten.
Im April 1736 kam es bei einer Warenlotterie, einem „Glückshafen“ zu Streit, als die Magd des Bierbrauer Andreas Samuel Roos bei dem Betreiber Johannes Dorn aus Nürnberg für ihren Arbeitgeber vier Lose für 40 Kreuzer gekauft hatte. Eines der Lose mit der Treffernummer 895 war falsch, so dass Roos Anzeige erstattete, denn der Gewinn wäre immerhin eine silberne Tabaksdose gewesen (siehe Abbildung).
Die Magd Christiana Adler wurde unter dem Verdacht des Betrugs im Armenhaus inhaftiert und eine amtlicher Untersuchung angestellt, bei der Lose und das in der Akte noch vorhandene Nummernbuch miteinander verglichen wurden.
Damit war der Lotterieunternehmer vom Verdacht des Betrugs gereinigt, der nun bei einem weiteren Loskäufer, dem Wollweber Johann Balthasar Ehrlich, haften blieb. Die vier städtischen juristisch vorgebildeten Syndici, die in diesem und anderen Strafverfahren das Urteil fällten, kamen zu dem Schluss, dass nur er oder die Magd ein gefälschtes Los verwendet haben konnte, um sich die Gewinne zu erschleichen, denn sie hatten mit drei gleichen falschen von einem anderen Druckstock als die echten stammenden Losen Gewinne gezogen. Die Syndici neigten, auf Rückgabe der erschlichenen silbernen Gegenstände zu entscheiden.
Text: Konrad Schneider