© Schülerzeitung "Bienenkorb-Gazette" 1/67, ISG FFM, SD1 Nr. 142 (Achim Werm)
XEmanzipation und sexuelle „Revolution“
Waren die 1960er-Jahre das Jahrzehnt der „Sexuellen Befreiung“ und der Emanzipation? - Fortsetzung
Noch vor einer „sexuellen Befreiung“ verband sich in den 1960ern Sexualität mit Kommerz: 1962 eröffnete der erste Beate-Uhse-Shop in Flensburg. Auf Magazinen und in so genannten „Erotikfilmen“ waren leicht bekleidete Frauen zu sehen. Neben diesen kommerziellen Filmen gab es aber auch Versuche, mit Filmen aufzuklären. Für viel Aufruhr sorgte 1968 der Aufklärungsfilm „Das Wunder der Liebe“ von Oswald Kolle, der den Beginn einer Reihe markierte.
Die „Sexuelle Revolution“ wollte nicht nur alte Rollenmuster durchbrechen, sondern stellte auch Monogamie und andere bürgerliche Sexualnormen in Frage. Eltern und Vermieter machten sich jedoch der „Kuppelei“ strafbar, wenn sie Unverheirateten ein Zimmer oder eine Wohnung zur Verfügung stellten. Auch Homosexualität blieb strafbar, das Totalverbot wurde erst 1969 aufgehoben.
Verhütung war in den 1960ern schwierig. Zwar wurde 1961 die „Pille“ auf dem deutschen Markt eingeführt, aber gerade unverheiratete, junge Frauen hatten zunächst nur sehr eingeschränkt Zugang zu dieser neuen Form der Verhütung. Aus gesundheitlichen und moralischen Gründen bekamen sie kein Rezept von den oft konservativ eingestellten Ärzten. So setzte sich die Pille erst in den kommenden Jahrzehnten als Massenverhütungsmittel durch und wurde zugleich von der Frauenbewegung kritisiert, wälzte sie doch das Verhütungsproblem weiter auf die Frauen ab. Abtreibung stand unter Strafe – erst in den 1970er Jahren wurde in der BRD die „Fristenlösung“ eingeführt, die eine straffreie Abtreibung unter bestimmten Umständen ermöglichte.
Selbst die Jugendzeitung „Bravo“ vertrat in den 1960ern zunächst die Sexualmoral der 1950er Jahre und propagierte ein traditionelles Familien- und Geschlechterbild. Erst allmählich passte sie sich den Erwartungen der jugendlichen Leserschaft an. So ist es kein Wunder, dass Jugendlichen selbst aktiv wurden und in ihren Schülerzeitungen „Sexualität“ thematisierten. Berühmt wurde damit 1967 die „Bienenkorb-Gazette“, die Schülerzeitung der Bettinaschule, mit einer Umfrage über Sexualaufklärung und eigene Erfahrungen – sie löste damals einen bundesweiten Skandal aus.
Gleichberechtigung und befreite Sexualität wurden in den 1960ern thematisiert – gesellschaftlich durchgesetzt haben sie sich erst ganz langsam in den Jahrzehnten danach.
+++ Tipp für eigene Forschungen +++
Schulklassen können nach den Osterferien wieder an einem archivpädagogischen Workshop zum Bienenkorb-Gazette-Skandal teilnehmen.
Projektbezug
Ausstellung: Bewegte Zeiten: Frankfurt in den 1960er Jahren