© AfE Turm im Bau, ISG FFM, S7FR Nr. 2837, Kurt Weiner
XStudieren und Mensaessen: wenn der Hunger kommt
Neben dem Römerberg war der Campus Bockenheim in den 1960er Jahren der Ort des Protestes in Frankfurt – auch vor den Zeiten des AfE-Turms. Doch wer studierte und protestierte, bekam auch irgendwann Hunger. Ein kleiner Einblick in die Mensa-Geschichte.
Die wachsenden Studierendenzahlen sorgten in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren für einen umfassenden Ausbau des Campus. In den bewegten 1960er Jahren erlebten Philosophicum, die (Alte) Mensa, der AfE-Turm, das Geographische Institut, das Hörsaalgebäude 2, das Institutsgebäude für Informatik und Mathematik und das Juridicum erlebten ihre Planung und bis auf den AfE-Turm auch ihre Eröffnung.
Für die Bauvorhaben zeichnete sich bis 1964 Ferdinand Kramer als Leiter des Universitätsbauamtes verantwortlich. Kramer war 1952 aus den USA in die Bundesrepublik zurückgekehrt und realisierte mit seinem Team binnen zwölf Jahren 23 Hochschulgebäude. Er übertrug in seinen Bauten die Prinzipien des Neuen Bauens auf den universitären Baubereich. Dem aufgeklärten und demokratischen Denkstil verpflichtet, verband er die Leitmotive Licht, Luft und Sonne in seinen zweckmäßigen Bauten. Geschickt verwob er Funktion mit Gestaltung wie beim 1961 vollendeten Philosophicum.
Als nächsten Bau verwirklichte Kramer 1962 und 1963 die (Alte) Mensa, den heutigen Lab-Saal. Der zweigeschossige Flachbau in Stahlbetonskelettkonstruktion vereinte zwei Mensen auf zwei Stockwerken in hellen, vollklimatisierten Räumlichkeiten, eine Milchbar im EG und ein Restaurant für Professoren im 1. Stock. Große Fensterflächen ließen auf die Straßen blicken und Sonnenlicht hineinfallen. Einen zeitgenössischen Einblick gibt ein am 16. Februar 1963 in der „Hessenschau“ ausgestrahlter Beitrag.
Wie im Supermarkt und der Bibliothek setzte sich auch bei der Essensauswahl das Prinzip der Selbstbedienung durch. Der Blick in die Küchenräume bei der Zubereitung sollte den Appetit anregen. Wer in Frankfurt studiert hat, wird diese Intention in Frage stellen.
Kramer sah sich wegen seiner Mensa starker Kritik ausgesetzt, denn die Kalkulation der Planungsjahre entsprachen nicht den stetig wachsenden Studierendenzahlen. 1969 zählte die Goethe-Universität 17.000 Studierende. Somit bestätigte sich Kramers Aussage von 1963 nicht: „Für das Publikum gibt es kein Warten in langen [Reihen]. Es gibt immer genügend Platz ohne Gedränge [...].“ Wir wissen es: die Realität sah schnell anders aus.
Zuhause zu kochen, war ebenfalls mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Den Student*innen fanden schwer eine Wohnung. Zwar hatten 1969 sechs Studentenehepaare für die Dauer ihres Studiums eine Wohnung in der Nordweststadt erhalten, doch der Großteil musste sich auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt umsehen und Ende der 1960er Jahre zwischen 100 und 300 Mark für ein Zimmer entrichten. Daher wohnten noch rund 50 Prozent zu Hause und sparten sich damit die hohen Mieten. Wer nicht pendeln oder weiter zu Hause wohnen wollte, arbeitete nebenbei, um Miete und Studium finanzieren zu können. So hat sich an den Bedingungen bis heute wenig geändert.
Text: Markus Häfner
Projektbezug
Ausstellung: Bewegte Zeiten: Frankfurt in den 1960er Jahren