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XDer Club Voltaire
Ein Ort für geselliges Beisammensein, zum Tanzen, zum die Köpfe Heißreden über Politik und Kultur, das fehlte den jungen Frankfurter*innen. Um Abhilfe zu schaffen, riefen von 20 jungen Menschen im Winter 1962/63 den Club Voltaire ins Leben gerufen. „Frankfurts Jugend schafft sich ein Domizil“ schrieb die Frankfurter Rundschau hierzu (FR 01.12.1962).
Seine Heimstätte fand er in dem schmalen Haus in der kleinen Hochstraße, wo er auch heute noch hartnäckig wie ein „mutwillig auf den Pelzmänteln der Fressgass hinterlassener Farbfleck [klebt]“ (FR, 17.12.2005). Das Gebäude selbst konnte schon auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken. Einst residierte dort das Kabarett die „Maininger“ und der Pudelsalon Wau-Wau war ebenso schon in den Räumlichkeiten zu finden (FR, 17.12.2005).
Wirft man einen Blick in das Veranstaltungsprogramm des Clubs aus den 60er Jahren, stellt man fest, dass dort eine Reihe von Persönlichkeiten las, musizierte, diskutierte. Anna Seghers, KD Wolff, Generalintendant Harry Buckwitz und Minister Rudi Arndt gehörten dazu, ebenso wie Franz-Josef Degenhardt, Wolfgang Graetz und die damalige konkret-Kolumnistin und spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof.
1964 wurde der sonst nirgendwo in Westdeutschland laufende Film „Der geteilte Himmel“ aufgeführt und anschließend mit der Drehbuchautorin Christa Wolf diskutiert. Darüber hinaus stellten 1965 F. K. Waechter und Chlodwig Poth Karikaturen aus und 1967 zeigte der Club Voltaire in der Ausstellung „Warte nur balde“ im Karmeliterkloster Fotomontagen von John Heartfield.
Dass eine damals noch recht unbekannte Band aus Hamburg, ursprünglich Liverpool, nicht im Club Voltaire spielte, lag laut eines Artikels in der FNP einzig daran, dass die Wirtin Else Gromball befürchtete, es werde zu laut (FNP, 28.04.1998). Ob dies wirklich der Grund sein kann, warum die Beatles nie in Frankfurt auftraten, würden wir zu gerne erfahren.
Auch wenn die Einrichtung sicherlich ein „Schmelztiegel der linken Szene“ (FR, 17.12.2005) war, so hatte sie den Anspruch „Treffpunkt politischer Ideen [zu sein] und nicht [...] ihr Träger“ (FAZ, 05.03.1969). „Keinem Besucher mit oder ohne lange Haare“, wurde, wie die FAZ am 05.03.1969 schrieb, „de[r] Aufenthalt verweigert, solange er sich vernünftig benimmt“.
Damit war die Institution auch immer wieder Ort von Konflikten. So trugen „Gammler“ und Provos, Mitglieder einer niederländischen anarchistischen Protestbewegung, ihre Grabenkämpfe aus und Liedzeilen über „Gammler“, wie „es müsse eine Freude sein zu leben wie ein Schwein“ wurden auch schon einmal mit Mehlbomben, Eiern und Tomaten beantwortet (FAZ, 27.02.1967).
Als ein Molotowcocktail in den Gastraum geworfen wurde und nur die geistesgegenwärtige Reaktion eines Besuchers Schlimmeres verhinderte, hatte man zunächst die nationalen Kräfte Frankfurts im Verdacht, die immer wieder Drohungen gegen den Club ausgestoßen hatten (FAZ, 27.11.1967). Ermittlungen der Polizei ergaben schließlich, dass junge Angehörige der „Rockers“ als Racheakt den Anschlag verübt hatten. Ein paar Tage zuvor hatten sie dem Club bereits einen Besuch abgestattet, der in einer Schlägerei mündete (FAZ, 03.08.1968).
+++ Tipps für eigene Forschungen +++
Falls Sie gerne tiefer in die Thematik einsteigen möchten, so seien Ihnen die Programmhefte (SD3/828) sowie Sammelmappen zu Else Gromball (S2/ 12.389) und dem Club Voltaire (S3/ 2851) zur weiteren Lektüre empfohlen. Ein Video des HR https://www.youtube.com/watch?v=bdgzIH4FoAw nimmt Sie mit auf eine Zeitreise in den Club Voltaire des Jahres 1968.
Text: Janica Kuhr
Projektbezug
Ausstellung: Bewegte Zeiten: Frankfurt in den 1960er Jahren