© ISG FFM, Foto: U. Dettmar
XKennedy begeistert die Deutschen
Nicht nur in der Musik etablierte sich in den 1960ern eine neue Starkultur. John F. Kennedy hat es geschafft, auch als Politiker zum Popstar zu werden und das nicht erst nach seinem frühen und gewaltsamen Tod im November 1963.
Millionen Deutsche feierten den US-Präsidenten bei seiner Deutschlandreise vom 23. bis 26. Juni 1963. In Berlin sprach er seinen berühmt gewordenen Satz vor dem Schöneberger Rathaus: „Ich bin ein Berliner“, mit dem er die enge transatlantische Verbindung der USA mit der jungen deutschen Demokratie bekräftigte. [Youtube-Video: „Ich bin ein Berliner“]
Am 25. Juni 1963 besuchte der amerikanische Präsident auch Frankfurt am Main. Bis zu 150.000 Menschen jubelten ihm auf den Straßen zu – eine größere Massenansammlung gab es in diesem an Straßendemonstrationen reichen Jahrzehnt nicht mehr. Der Präsident war nur wenige Stunden in der Stadt, doch sein Zeitplan war dicht und beinhaltete zwei Reden. Um 15:18 traf er zusammen mit dem hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn und Bundeskanzler Ludwig Erhard auf dem Römerberg ein und ging in den Kaisersaal, wo er sich in das Goldene Buch der Stadt Frankfurt eintrug. Vorher überreichte ihm der Oberbürgermeister Werner Bockelmann eine Kopie einer Grußadresse der Amerikaner*innen aus dem Jahr 1848 an die demokratischen Deutschen in der Paulskirche.
Anschließend sprach er vor dem Römer kurz zu den über 60.000 Frankfurter*innen: er beschwor die deutsch-amerikanische Freundschaft und den gemeinsamen Kampf für die Freiheit, würdigte den Einsatz der Frankfurter*innen am Wiederaufbau und gestand, er könne keinen Unterschied zwischen den in Frankfurt regierenden Parteien erkennen, sondern habe das Gefühl, alles seien Freunde. Kennedy sprach dabei nicht von oben herab vom Balkon des Römers aus, sondern stand auf einem kleinen Rednerpodium vor der Rathaustür. In den 1960ern wirkte sein Politikstil auf die Frankfurter*innen und auch auf die Presse lässig und volksnah.
Kennedy ging vom Römerberg zu Fuß zur Paulskirche und wich bei diesem Gang vom Protokoll ab: Er nutzte den Weg zum Bad in der Menge und schüttelte Hände der jubelnden Frankfurter*innen – die verantwortlichen Sicherheitskräfte waren weniger begeistert. Die Paulskirche war bewusst gewählt: Kennedy nutze diesen Symbolort der deutschen Demokratie, um sein Programm einer transatlantischen Partnerschaft vorzustellen. Vor etwa 900 Gästen, hauptsächliche Bonner Politiker*innen, setzte er sich für ein starkes und demokratisches Europa in einiger Partnerschaft mit den USA ein, um Freiheit und Weltfrieden zu verteidigen: „Wir sind Partner bei der Sicherung des Friedens – nicht in einem engumschriebenen, zweiseitigen Verhältnis, sondern im Rahmen der Atlantischen Partnerschaft. Der Ozean trennt uns weniger noch, als früher das Mittelmeer die antike Welt der Griechen und Römer zu trennen vermochte.“
Im Anschluss an die Rede in der Paulskirche fuhr er zum Waldstadion, wo er mit dem Hubschrauber abgeholt und nach Wiesbaden geflogen wurde. Die Straße, auf der er die Stadt verließ, wurde nach seinem Tod in „Kennedyallee“ umbenannt. Der Deutschlandbesuch und die Begeisterung, die ihm in diesem Land entgegenschlug, muss ihn beeindruckt haben, denn er riet seinen Nachfolgern: „Wenn Sie einmal niedergeschlagen sind, dann reisen Sie nach Deutschland.“ Er selbst konnte dies nicht mehr tun. Am 22. November 1963 wurde er in Dallas erschossen. Die Welt trauerte, auch Frankfurt. Tausende Frankfurter*innen unternahmen drei Tage nach dem Attentat einen Trauermarsch zum Römerberg.
Projektbezug
Ausstellung: Bewegte Zeiten: Frankfurt in den 1960er Jahren